

Fällt die Rede auf Osttirol, denkt man zuerst an Bergsteigen, Schifahren und an das Mountainbiken. Als Rennraddestination fristet Osttirol eher noch ein Dornröschendasein. Dabei muss sich Osttirols Rennradtradition überhaupt nicht verstecken. Der Giro d’Italia war zu Gast, ebenso der Giro del Trentino bzw. dessen Nachfolger die Tour of the Alps, eine Österreich-Radrundfahrt ohne Osttirol ist fast nicht denkbar und mit Felix Gall hat Osttirol auch Österreichs bisher einzigen Straßenweltmeister im Talon (2015 Juniorenweltmeister in Richmond). Zeit also, bekannt zu machen, dass Osttirol auch für den ambitionierten Hobbycyclisten ein überaus lohnendes Ziel ist. Und das beweist nicht zuletzt diese Parade-Runde.
Vom Ausgangspunkt in Lienz geht es den netten Iseltal-Radweg in kaum merkbarer Steigung flussaufwärts. In St. Johann im Walde wird die Isel überquert, kurz darauf passiert man die Ruine der Kienburg und dann ist Huben und damit das Ende des flachen Einradelns auch schon erreicht.
Geradeaus ginge es weiter nach Matrei und zum Felbertauern, rechts hinauf käme man nach Kals und zur Kalser Glocknerstraße und links geht es hinein ins Defereggental und weiter auf den Staller Sattel. Hier wollen wir hin.
Über eine erste Steilstufe gelangt man in das Hochtal und kaum ist der Talgrund erreicht, nimmt die Steigung wieder merklich ab. Hopfgarten, der erste Ort im Defereggental, ist bald erreicht. Es folgen ab hier eher mühsamere Kilometer, denn einmal muss man durch eine Galerie, dann durch einen Tunnel - beide können nicht umfahren werden. Zumindest ein Rücklicht ist hier sicherlich kein Fehler und kann das Sicherheitsempfinden merklich steigern.
Wer voller Tatendrang mit seinen Kräften nicht zu sehr haushalten will, dem sei am Ende des Tunnels ein Abstecher in das schön über dem Talgrund gelegene St. Veit empfohlen. 15% erreicht die Steigung im oberen Bereich allerdings, nur um dann nach dem Ort wieder fast ebenso steil zurück hinunter zur Defereggental-Landesstraße zu fallen. Schöne Blicke über das Tal und die umliegende Bergwelt sind diesen kleinen Umweg aber sicherlich wert.
Über St. Jakob kommt man nach Erlsbach, wo schließlich der Talboden verlassen wird. Zunächst noch durch bewaldete Hänge, später dann im offenen Almgelände geht es höher, bis man schließlich kurz nach dem schönen Obersee den Staller Sattel und damit den höchsten Punkt des Tages erreicht.
Während die österreichische Seite relativ gut ausgebaut ist, fährt man in Italien auf einer sehr schmalen und einspurigen Straße weiter. Aus diesem Grund gibt es eine Ampelregelung, die die Talfahrt vom Pass jeweils zur vollen Stunde für 15 Minuten, bzw. die Bergfahrt vom Antholzer See jeweils zur halben Stunde für 15 Minuten freigibt. Da man die wunderbare, kurvige Abfahrt ohne Gegenverkehr eindeutig besser genießen kann, sollte man sich an diese Regelung halten.
Mit wunderbaren Blicken auf die 3000er der Rieserferner-Gruppe, die das Puster vom Zillertal trennen, kommt man hinunter zum idyllischen Antholzer See, wo sich auch das Zentrum des italienischen Biathlon-Sports befindet.
Auf der Hauptstraße geht es bei sanftem Gefälle talauswärts, bis man auf die Pustertaler Staatsstraße trifft. Diese Straße ist viel zu stark befahren, um auch nur ansatzweise Vergnügen zu bereiten, weshalb wir die hier vorgeschlagene Variante, die über verkehrsarme Seitenstraßen führt, nur wärmstens empfehlen können. Dabei gewinnt die gewählte Straße in einigen Serpentinen rasch an Höhe und im Nu ist ein Plateau mit traumhaften Ausblicken über das Pustertal und in die zum Greifen nahen Pragser und Sextener Dolomiten erreicht.
Die Hauptschwierigkeiten der Runde sind damit bewältigt, 65 Kilometer liegen aber noch vor uns. Zuerst geht es über Taisten wieder hinunter ins Pustertal, und ab Welsberg dann auf dem gut ausgeschilderten Radweg Richtung Osten. Toblach wird links liegengelassen, das nette Städtchen Innichen lädt allerdings definitiv zu einer Espressopause in einem der Cafés mit Blick auf die imposante romanische Stiftskirche ein.
Bald darauf ist die österreichische Grenze erreicht und während der Radweg auf italienischer Seite noch recht angenehm zu befahren ist, kann man das auf Osttiroler Seite an einem durchschnittlichen Feriennachmittag nicht behaupten. Nicht weil er so schlecht ausgebaut wäre, sondern weil er so beliebt ist und unzählige Gruppen und Familien das permanente Gefälle Richtung Lienz genießen. Dennoch ist es am Radweg, im Vergleich mit dem Verkehr auf der Bundesstraße, wesentlich angenehmer und man kann die Fahrt ja stressfrei dazu nützen, sich das Laktat aus den Beinen zu strampeln. Es gibt ja schließlich auch noch ein Morgen.
Lienz, Parkplatz Iseltaler Straße, gegenüber Hochsteinbahn
Lienz - St. Johann im Walde - Huben - Hopfgarten in Defereggen - St. Veit in Defereggen - Staller Sattel - Antholz - Niederrasen - Obergoste - Taisten - Welsberg - Toblach - Innichen - Sillian - Lienz
mehrere Galerien bzw. Tunnels im Defereggental zwischen Hopfgarten und St. Veit, ev. Radlichter mitnehmen